Hexentanz Ultra – Walpurgisnacht 2017
Impressionen von Joachim Thiele
Mir ist kalt. Steife Windböen biegen und rütteln und schütteln neben mir die Bäume durch. Es heult und knarrt, pfeift und keift. Um 2:30 in der Nacht.
Nicht in irgendeiner Nacht. Nein. Denn dieses Jahr ist der Hexentanz Ultra auf die Walpurgisnacht gelegt worden.
Der Ultra-Spezialist Michael Frenz hat als Veranstalter dieses Laufwettbewerbes ganze Arbeit geleistet. Der Track ist dieses Mal viel schwieriger als je zuvor. Es sind insbesondere im zweiten Streckenabschnitt und somit in der Nacht statt Forstwege nun „Stiege“ zu meistern.
Und niemand, der sich jemals mutterseelenallein im tiefdunklen Harz auf über 800 m Höhe über „Stiege“ fortbewegen musste, kann nachempfinden, wie sich dort die Einsamkeit in einer Walpurgisnacht anfühlt.
Die Hexentanz-Stiege sind nur bedingt als Wege zu bezeichnen. Sie sind nicht laufbar. Man kommt auch nicht durch einfaches Gehen über sie hinweg. Die Fortbewegung über schrägstehende Steine, spitzkantige Felsbrocken, über hochstehende Wurzeln lassen es nicht zu, die Schuhsohle auch nur einen einzigen Schritt normal-gerade aufzusetzen. Ständig droht man umzuknicken, zu stolpern und zu stürzen. Und wenn keine Steine da sind, ist es noch schlimmer: Sumpflachen bilden auf den Stiegen einen permanenten Hindernisparcours. Man hat die Wahl: durch Matsch hindurchschreiten, mit den Schuhen steckenbleiben und sich damit nasse Füße zum weiteren Auskühlen zueignen – oder sich noch mehr Zeitverlust einhandeln durch weitläufiges und umständliches Umgehen dieser Nassbarrieren, dafür aber einigermaßen trocken bleibendes Schuhwerk. Da. Schon wieder versperrt ein umgekippter Baum den Trail. Drunter durch? Drüber weg? Dran vorbei?
13, 14, 15, ja 16 Minuten für einen Kilometer. Ein Straßen-Marathoni würde vielleicht denken: „Ihr ultra-Läufer schafft zwar mehr als 100 Kilometer, aber dafür nehmt Ihr Euch ja auch ordentlich Zeit…“.
Irgendwo da vorn muss endlich die Hanskühnenburg kommen. Dringend benötigter Flüssigkeitsnachschub wartet auf diesem letzten Versorgungspunkt vor dem Ziel in Osterode. Durchhalten!
Wenn doch nur diese Halluzinationen nicht wären. Meine Stirnlampe haut 1200 Lumen Helligkeit auf den Stieg. Genug, um alle Hindernisse und Unebenheiten deutlich zu sehen. Was ich nicht wusste: die Intensität der Schattenbildung bei derartigem Geleucht ist erschreckend. Baumgeäst und Felskanten werfen bei dieser Helligkeit scharfkantige Schatten, pechschwarz, wie mit einer Rißfeder gezeichnet. Die eigene Fortbewegung haucht den Schatten Bewegung ein, sie verwandeln sich in flüchtende, dämonische, windumheulte Wesen. Mein übermüdeter Kopf spielt mir das Grauen ein. Sind es Stimmen, die ich da höre? Kichert das was? Grummelt das was? Spricht da jemand? Bin ich allein hier? Zerrend saust der Wind durch die Wipfel.
Endlich die Hanskühnenburg ! Schnell rein in den erleuchteten Eingangsbereich. Hier ist kein Wind und kein Hexendämon. Hier - auf der einsamen und verlassenen Hanskühnenburg – hier hat die Walpurgisnacht keine Macht über mich. Ich fülle die Trinkblase mit Wasser aus dem bereitgestellten Kanister auf und lasse meinen letzten Kohlehydratriegel mit Schokogeschmack im Mundmahlwerk zerkleinern. Lecker und beruhigend strömt die Süße allmählich in mich hinein.
Es liegen jetzt insgesamt nur noch 15 harte Nachtkilometer vor mir. Meine Beine haben mich seit dem Start um 10:00 Uhr gestern vormittag in Thale schon 95 km weit getragen. In Thale ging es hoch zum Hexentanzplatz, immer weiter, dann über den Wurmberg bei Kilometer 56. Die rührigen hilfsbereiten Service-Männer im Versorgungspunkt Sankt Andreasberg bei Kilometer 70 bereiteten mir einen wohltuenden Ingwer-Tee zu. Dort aus dem Dropbag noch schnell trockene Wechselklamotten und KH-Riegel für den anstehenden Nachtlauf rausgeholt. Und dann ging es ab auf die Stiege, die Wolfswarte hoch bei Kilometer 81. Ab Altenau hoch zur Stieglitzecke Kilometer 89. Rauf und runter, rauf und runter. Mehr als 2.500 Höhenmeter sind überwunden. Seit über 14 Stunden geht das bereits so. Ich kann es kaum glauben, es überhaupt bis hierher geschafft zu haben. Was für ein wunderbares Laufabenteuer das hier ist! Und wir dürfen nicht vergessen: Petrus hatte uns einen sonnigen Lauftag geschenkt. Bis Sonnenuntergang gab er uns optimale Wetterbedingungen. Und was danach kommt….liegt in einer Walpurgisnacht wohl nicht mehr in seinen Händen…
Also los jetzt! Laufrucksack aufrödeln, sich nochmal sammeln, konzentrieren – und dann geht es raus auf den Stieg, hinein in die heulende Nacht, weiterkämpfen mit den schwarzen Hexendämonen um mich herum. Ich will unbedingt mein persönliches großes Ziel erreichen, den Finish in Osterode, und mir mein Denkmal im Ultra-Lauf-Himmel setzen….
Bin ich denn wirklich allein hier auf dem Stieg gelaufen?
Gott sei Dank nein. Michael aus Frankfurt, Du hast mich auf den schweren Stiegen die ganze Nacht hindurch begleitet, ich danke Dir für diese tolle Teamerfahrung. Gemeinsam durchs Ziel nach 20 Stunden und 7 Minuten und jetzt gibt’s nen wohlverdientes Weizen als Belohnung…
Fotos Hexenstieg Ultra: Michael Irrgang
Hexenstieg Ultra
Hexentanz Ultralauf
Von insgesamt 31 Startern erreichten 13 das Ziel.
Der Lauf wurde durch die extreme Wetterlage am Wochenende zusätzlich erschwert.
Stefan Zirbus beschreibt den Rennverlauf hier: Rennverlauf
Freitag waren es tagsüber noch 25 Grad plus. Gegen Abend zog starkes Unwetter mit Orkanboen am Brocken auf. Es folgten 30 Stunden Dauerregen und ein Temperatursturz um 20Grad.
Nachts in den Höhenlagen viel 5cm Neuschnee bei Torfhaus. Starke Nebelbildung in der Nacht von Samstag zu Sonntag bei der Wolfswarte. Der Trailpfad Märchenweg komplett unter Wasser.
Viele Läufer erreichten noch Thale den Wendepunkt der Strecke mussten sich dann aber geschlagen geben. Der Hexenstieg Ultra ist ein Abenteuerlauf der an Grenzen führt. Diese Auflage wird wohl zu den härtesten zählen.
Allen Startern sage ich: WOOOOOT !!!! Ihr seid riesig! Wir sehn uns demnächst auf einem der vielen trails.
LG Micha
Quelle: DUV Datenbank
Erste Bilder
Berichte vom Abenteuerlauf "Hexenstieg Ultra"
28 Läufer begaben sich am 28.April 2012 00:00 Uhr auf die 200km lange Strecke auf dem Harzer Hexenstieg von Osterode (ab Hotel Harzer Hof) über den Brocken nach Thale mit Rückweg über die Südroute zurück in die Kreisstadt Osterode am Harz. 19 Läufer erreichten das Ziel !
Quelle: DUV Datenbank